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Temporär behindert

Krebs ist ein Arschloch – die Kolumnistin lässt sich davon jedoch nicht die Laune vermiesen. Kolumne in der Jungle World vom 15.07.2021

Die Autorin dieser Kolumne hat Brustkrebs. Mammakarzinom links, ein großes, schnell wachsendes, aggressives Teil. Der Diagnoseprozess war, dank eines kommunikativ recht unfähigen Arztes, ziemlich schlimm: Von einer kaum vorhandenen Beunruhigung zu ­Todesangst in weniger als einer halben Stunde. Nach der Diagnose ging dann alles sehr schnell: Covid-Impfung dank Aufstieg in Prio­ritätsgruppe 2, glücklicherweise erfolglose Suche nach Metastasen, weitere Untersuchungen, Aufklärungsgespräch mit der Onkologin, Beginn der Chemotherapie. An dem Tag, an dem diese Zeitung erscheint, wird bereits zum dritten Mal das heilsame Gift in mich reinfließen. Die Todesangst hat sich gelegt und Platz gemacht für kleinere Sorgen und die Anpassung an das neue Normal der ­Chemotherapie.mehr … Temporär behindert

Bye-bye Giffey

Weil sie in ihrer Doktorarbeit plagiiert hat, ist Franziska Giffey als Bundesfamilienministerin zurückgetreten. Regierende Bürgermeisterin Berlins will sie bedauerlicherweise dennoch werden. Kommentar in der Jungle World vom 27.05.2021

Franziska Giffey war als Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln Nachfolgerin und Ziehkind Heinz Buschkowskys. Damit weiß man als Neuköllnerin eigentlich schon alles, was man über die Kandidatin der SPD für das Amt des Regierenden Bürgermeisters wissen muss, um zu dem Schluss zu kommen: Das täte der Stadt nicht gut. Oder genauer: Das täte Berlin als einer der wenigen erträglichen Metropolen – im Sinne von Lebenshaltungskosten und atembarer Luft – nicht gut. Genauso wenig der berühmt-berüchtigten Berliner Vielfalt, die ohnehin fast nur noch Sozialkitsch ist.

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Hohes Identifikationspotential

Obwohl Annalena Baerbock sich in ihrer ersten Rede als Kanzlerinnenkandidatin nicht feministisch geäußert hat, verbindet eine bestimmte Klientel große Hoffnungen mit ihrer Kandidatur.
Kommentar in der Jungle World vom 29.04.2021

Ewige Kanzlerinnenschaft – manche Linksliberale träumen bereits davon, dass die grüne Kanzlerinnenkandidatin Annalena Baerbock im September die Regierungsgeschäfte von Angela Merkel übernimmt. Die K-Frage hatten ihre jeweiligen Parteien sehr unterschiedlich beantwortet.

Die Grünen haben sich um ein konsensuales Vorgehen bemüht. Statt sich gegenseitig Kompetenzen abzusprechen, benutzte die grüne Spitzenkandidatin so häufig »wir« und »uns« in einem Satz, dass man bei ihr und ihrem Co-Vorsitzenden Robert Habeck an ein symbiotisches Pärchen denken musste oder an eine bestimmte, extrem unangenehme Ausdrucksweise aus dem Jargon der Sozialarbeit. Anne Will unternahm in ihrer Talkshow am Sonntag mehrere Versuche, Baerbock dazu zu bringen, dem Publikum mitzuteilen, worin denn ihre Qualifikation für das Amt liege – erfolglos. Man hofft fast, dass diese Betonung des Gemeinsamen eine strategische Entscheidung ist, um den Wählerinnen und vor allem den Wählern die Angst vor noch einer Frau an der Macht zu nehmen.
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Die Hoffnung stirbt zuletzt

Kein Fortschritt für die geschlechtliche Selbstbe­stim­mung transgeschlechtlicher Menschen.
Kolumne in der Jungle World vom 15.04.2021

Für diese Legislaturperiode kann man es abhaken: Eine Reform des beinahe 40 Jahre alten Transsexuellengesetzes (TSG) wird es nicht geben. Das teilte die SPD-Bundestagsfraktion ausgerechnet einen Tag nach dem »Transgender Day of Visibility« am 31. März mit.

Viele Vorschriften des Transsexuellengesetzes wie den Scheidungs- oder den Sterilisationszwang hat das Verfassungsgericht im Laufe der Jahrzehnte für verfassungswidrig erklärt. Das TSG gilt Menschenrechtsanwälten weiterhin als verfassungsrechtlich bedenklich und dringend reformbedürftig, Selbstvertretungsorganisationen fordern, dass für die Personenstandsänderungen eine Selbstdefinition ausreichen müsse. Die Bundesregierung hatte im Mai 2019 den Entwurf eines Gesetzes zur »Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrags« vorgestellt, der das Transsexuellengesetz ablösen sollte. Geregelt werden sollte, was transgeschlechtliche Menschen benötigen, um ihren Vornamen und Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Nach der derzeitigen Regelung brauchen sie zwei Gutachten, für deren Kosten sie selbst aufkommen müssen. Der Entwurf sah vor, dass transgeschlechtliche Personen sich vor einer Änderung ihres Namens und ihres Geschlechtseintrags verpflichtend beraten lassen müssten. Kalle Hümpfner vom Bundesverband Trans* kritisierte diesen Vorschlag als »Begutachtung durch die Hintertür«. Zudem wäre weiterhin ein amtsgerichtliches Verfahren statt eine in einigen Ländern mittlerweile mögliche Beantragung beim Standesamt nötig gewesen.mehr … Die Hoffnung stirbt zuletzt

Feministische Leerstelle

Über pränatale Tests sprechen Pro-Choice Feministinnen ungern.
Kommentar in der Jungle World vom 24.03.2021

90 Prozent aller Schwangerschaften würden nach einer vorgeburtlichen Diagnose von Trisomie 21 abgebrochen, heißt es oft. Die ­genannte Zahl suggeriert Problematik und Dringlichkeit, ist allerdings eher eine Mutmaßung als eine belegbare Tatsache. In Deutschland wird nicht erfasst, wegen welcher Beeinträchtigung des Fötus eine Abtreibung vorgenommen wurde – tatsächlich sind Schwangerschaftsabbrüche wegen einer fötalen Beeinträchtigung nicht einmal erlaubt. 1995 wurde diese embryopathische ­Indikation genannte Ausnahme vom im Strafrechtsparagraphen 218 festgelegten Abtreibungsverbot abgeschafft.
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»50 Jahre Arbeit tragen Früchte«

Das Recht auf Abtreibung ist in den USA in Gefahr. Die Demokraten haben zwar die Präsidentschaftswahl gewonnen, und die Mehrheit in beiden Parlamentskammern, im wichtigen Verfassungsgericht haben die Konservativen jedoch die überwältigende Mehrheit. Was passiert, wenn das Urteil Roe vs. Wade revidiert wird?
Interview mit Jennifer Holland in der Jungle World vom 21.01.2021

Die Möglichkeit, legal abzutreiben ist in den Vereinigten Staaten in Gefahr, weil das Grundsatzurteil im Fall »Roe vs. Wade« demnächst revidiert werden könnte. Damit hatte der Oberste Gerichtshof der USA 1973 Abtreibungen entkriminalisiert, weil das Recht auf Privatsphäre auch Schwangerschaftsabbrüche einschließe. Wie kam es dazu?

Die Situation in den USA ist einzigartig. Der Föderalismus ist stark ausgeprägt, vor diesem Urteil waren Abtreibungen deshalb von den einzelnen Bundesstaaten geregelt und in den meisten verboten. Seit den sechziger Jahren gab es immer wieder Versuche, die entsprechenden Gesetze zu liberalisieren und Abtreibungen besser zugänglich zu machen. Das Urteil hat einen landesweiten Standard etabliert: Es hat das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten zwölf Wochen für verfassungswidrig erklärt. Seitdem ist das Recht einer Frau auf eine Abtreibung in diesem Zeitraum eigentlich unantastbar.

Aus der Sicht der religiös-fundamentalistischen Antiabtreibungsbewegung war dieses Urteil eine Katastrophe. Was hat sie seitdem gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche unternommen?

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Verteilungs­kämpfe um die Spritze

Wer schnell geimpft werden soll und warum. Kolumne in der Jungle World vom 07.01.2021

Die Impfungen gegen Sars-CoV-2 haben in Deutschland kurz nach Weihnachten begonnen, die Diskussionen über die Kriterien der Verteilung halten an. Das Problem ist klar: Es gibt vorerst nicht genug Impfstoff für alle, die sich gerne impfen lassen würden. Was aber eine gute Lösung für wen sein könnte, ist weit weniger offensichtlich.

Die Bevölkerung ärmerer Länder muss sich in der globalen Warteschlange ganz hinten anstellen: Einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters zu folge könnten dort Milliarden Menschen erst 2024 geimpft werden.

 

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Schutz vor unnötigen Operationen

Bodycheck – Kolumne zu Biopolitik und Alltag, in der Jungle World 41/20

Meckern hilft. Der Ende September von der Bundesregierung beschlossene Gesetzentwurf zum Schutz intergeschlechtlicher Kinder vor medizinisch unnötigen Eingriffen enthält einige wichtige Verbesserungen gegenüber dem Entwurf vom Januar. Diesen hatten Selbstvertretungsorganisationen und Fachleute scharf kritisiert, da die Altersuntergrenze für die Einwilligung intergeschlechtlicher Kinder zu Operationen zu niedrig angesetzt war, nämlich auf 14 Jahre. Außerdem war die Aufklärung und Beratung des Kindes und der Eltern durch andere selbst Betroffene nicht vorgeschrieben.

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Quer zur Wirklichkeit

Seit 150 Jahren ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland strafbar. Was würde passieren, wäre der Paragraf 218 abgeschafft? Ein Gedankenexperiment von Kirsten Achtelik und Hanna Voß in der Frauentaz vom 08.03.2021

in Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland nach § 218 Strafgesetzbuch grundsätzlich strafbar – seit 150 Jahren ist das so. Nach der Gründung des Deutschen Reichs am 15. Mai 1871 war eine Schwangere, die „ihre Frucht abtreibt oder im Leib tötet“ mit Zuchthaus von bis zu fünf Jahren zu belegen. Die Worte des Paragrafen sind heute andere, sie klingen zeitgemäßer – allerdings nur in ihrer Form, nicht im Inhalt. Und sie stehen noch immer direkt hinter Mord und Totschlag, Abtreibung ist ein „Delikt gegen das Leben“.

Früher haben ungewollt Schwangere versucht, mit Kleiderbügeln, Stricknadeln und Fahrradspeichen den Fötus aus ihrem Bauch zu kratzen. Sie haben Seifenlauge, Bleichmittel, Rohrreiniger getrunken. Frauen sind verblutet, erlitten Bauchfellentzündungen und Vergiftungen, sie sind gestorben, weil ihnen verboten war, über ihren Körper selbst zu bestimmen.

In einigen Teilen der Welt passiert das noch immer. In Deutschland hat sich die Lage seit der ersten Reform in Westdeutschland in den 1970ern zwar verbessert – doch steht auch hier ein Gesetz im Strafgesetzbuch, das quer zur gesellschaftlichen Wirklichkeit vieler Frauen steht, das im Grunde sagt: Wenn du schwanger bist, musst du das Kind bekommen.

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Dividende abschaffen

Das Referendum zur Vergesellschaftung von Immobilien­konzernen in Berlin regt Konservative zu Warnungen vor einem Systemwechsel und Sozialismus an. Kommentar in der Jungle World vom 11.03.2021

Am 26. Februar begann die zweite Stufe der Unterschriftensammlung für das Berliner Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co. enteignen«. Die Initiative fordert, jene Immobilienkonzerne zu vergesellschaften, die Eigentümer von mehr als 3 000 Wohnungen in der Stadt sind. Das sind etwa ein Dutzend Unternehmen, neben Deutsche Wohnen (DW) auch Vonovia oder Grand City Properties. Insgesamt geht es um etwa 240 000 Wohnungen, rund 15 Prozent des Mietwohnungsbestandes in der Stadt. Anders als der Name der Kampagne nahelegt, sollen die Firmen nach herrschendem Rechtsverständnis nicht enteignet, sondern vergesellschaftet und der Wohnungs­bestand und dessen Verwaltung in eine Anstalt öffentlichen Rechts überführt werden.

Angesichts dessen raunt Gunnar Schupelius in seiner berüchtigten B.Z.-Kolumne »Mein Ärger«, dass die Initiatoren das Privateigentum als solches beseitigen wollten und eine Planwirtschaft anstrebten. Tatsächlich aber würde ein Erfolg der Initiative vor allem den Verkauf der kommunalen Wohnungsbestände rückgängig machen, den die Linkspartei und die SPD in den nuller Jahren betrieben haben. Der DW gehören viele Wohnungen, die zuvor im Besitz städtischer Wohnungsbaugesellschaften waren.

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