Ein Jahr nach den Morden im Potsdamer Oberlinhaus hat sich für Menschen mit Behinderung nicht viel verbessert im nd vom 30.04.2022
Mit einem Gedenkgottesdienst unter freiem Himmel gedachte das Oberlinhaus in Potsdam am Donnerstag den vor einem Jahr ermordeten Bewohner*innen. Eine langjährige Pflegerin tötete vier Menschen mit Behinderung: Andreas K., Christian S., Martina W. und Lucille H. Elke T. überlebte schwer verletzt.
Das Landgericht Potsdam hat die Pflegehelferin Ines R. im Dezember letzten Jahreswegen vierfachen Mordes und mehrfachen Mordversuchs zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Wegen einer schweren psychischen Störung gilt sie als vermindert schuldfähig. Das Gericht ordnete die Einweisung der 52-Jährigen in die Psychiatrie an.
Das Oberlinhaus ist eine diakonische Einrichtung, mit Kirche, Klinik, Werkstätten für behinderte Menschen und Wohngruppen – eine Welt für sich. Im Gedenkgottesdienst wurden vier gläserne regenbogenfarbene Stelen enthüllt, in die die Namen der Ermordeten eingraviert sind.
»Wir wollen der ermordeten Menschen gedenken, aber auch die Rückkehr ins Leben feiern«, sagte der Theologische Vorstand des Oberlinhauses, Matthias Fichtmüller, am Donnerstag zu Beginn des Gottesdienstes. Dazu waren rund 200 Bewohner*innen, Angehörige, Politiker*innen und Bürger*innen gekommen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach den Angehörigen das »tief empfundene« Beileid der Landesregierung aus, wie die Senatskanzlei mitteilte. Die Gesellschaft müsse nach einem solchen Verbrechen nach Ursachen fragen und die Umstände aufklären, die eine derartige Straftat begünstigten, postulierte Woidke: »Die Aufarbeitung fand und findet auf allen Ebenen statt.«
Ebenfalls am Donnerstag veröffentlichte die Behinderten- und Menschenrechtsorganisation AbilityWatch ein journalistisches Rechercheprojekt zu Gewalt an Menschen mit Behinderungen. Unter dem Hashtag AbleismusTötet und auf der Webseite ableismus.de sind 36 Fälle in 33 Einrichtungen und 91 Betroffene zusammen getragen.
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