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Unbewusste Vorurteile

Kommentar im nd vom 11.112022

Niemand möchte, dass der Ausnahmefall einer Triage eintritt und niemand möchte Menschen mit Behinderung diskriminieren. In einer idealen Welt wäre damit das Problem einer unzureichenden und potenziell tödlichen Unterversorgung von behinderten und vorerkrankten Menschen auch schon vom Tisch – jedoch die Verhältnisse, sie sind nicht so.

Denn auch niemand möchte allzu viel Geld für ein funktionierendes Gesundheitssystem ausgeben – mit niemand sind hier Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die Krankenkassen gemeint. Und fast niemand möchte allzu intensiv über eigene Vorurteile reflektieren, vor allem nicht die »Götter in Weiß«.

Internalisierte Vorurteile gegen Menschen mit Behinderung wie Annahmen darüber, dass diese ein unangenehmes, ja eigentlich unzumutbares Leben voller Schmerzen und Leiden führen, sind sehr weit verbreitet, kaum jemand ist frei davon. Gerade Ärzt*innen sind meist in einem Weltbild verfangen, das Krankheiten und Beeinträchtigungen mit verminderter Lebensqualität und -länge gleichsetzt. Die Behindertenbewegung kämpft seit Jahrzehnten mit mäßigem Erfolg gegen diese Annahmen an.

Daher entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, wenn der Bundesgesundheitsminister im Bundestag ausführte, dass eine streng medizinische Analyse diskriminierenden Zuteilungspriorisierungen vorbeugen würde. Das zeugt von einer beinahe rührend naiven Analyse davon, was Diskriminierung bedeutet. Kaum ein Arzt wird sich bewusst dafür entscheiden, eine behinderte Person nicht zu behandeln, weil sie behindert ist. Aber davon auszugehen, dass diese Person sowieso kein so langes, gutes etc. Leben haben wird, das ist quasi Teil des ärztlich-medizinischen Weltbildes. Dagegen hilft dieses Triage-Gesetz nicht.

Getrennte Wege

Meine letzte Kolumne zu Biopolitik und Alltag in der Jungle World 45/2022

Eine Biopolitik-Kolumne während einer Pandemie und der eigenen Krebserkrankung – über fehlende Themen und Ideen konnte ich mich nicht beklagen, seit ich vor gut zwei Jahren diese Kolumne begonnen habe. Ein Jahr nach meiner letzten Chemotherapie ist es aber nun Zeit, die Kolumne zu beenden. Nicht, weil die Pandemie vorbei wäre oder die Nach- und Nebenwirkungen der Therapie gegen den Krebs nicht kommentierungswürdig wären. Vielmehr entwickelte sich die Textgattung dieser Kolumne eben durch meinen Brustkrebs, die Depression und mein Outing als non-binary von »kritische Kommentare von jemandem mit sehr viel Meinung« zu »angepisste Anmerkungen von einer betroffenen Person mit sehr viel Meinung« – und seien wir ehrlich: Das ist kein Genre, das die Mehrheit meiner ehemaligen Redakteurskolleg:innen aus dem Jungle World-Kollektiv sehr zu schätzen weiß.

In einer Zeitung, in der die Kritik an Identitätspolitik manchen wichtiger erscheint als Menschenrechte für Leute mit bestimmten abweichenden Geschlechtsidentitäten (wie beispielsweise nicht missgendert zu werden), kommt mir eine Kolumne als mehrfach selbst betroffene und engagierte Person zunehmend fehl am Platz vor.

»Wir haben uns auseinandergelebt«, wäre wohl die nichts­sagend-diplomatische Formulierung, die man auf einer Familienfeier verwenden würde, wenn man nach den Gründen gefragt würde. Das sollte man bitte nicht falsch verstehen: Die Jungle World ist für die Linke eine wichtige Zeitung, in der Missstände analysiert werden, die anderswo keine oder zu wenig Aufmerksamkeit erhalten; ich schätze die ehemaligen Kolleg:innen sehr.

Corona, Krebs, Behinderung, sexuelle, geschlechtliche und reproduktive Rechte sowie die Debatten darüber waren in den ver­gangenen zwei Jahren die hauptsächlichen Themen dieser Kolumne. Viele biopolitische Themen liegen quer zu den traditionellen Einteilungen von rechten und linken Analysen, das habe ich schon in meinem ersten Buch zu Selbstbestimmung, dem Recht auf Ab­treibung und einer intersektionalen Kritik an pränataler Diagnostik festgestellt; die Auseinandersetzungen über die richtige Analyse und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie auch unter Linken, die sich kritisch mit dem Gesundheitssystem beschäftigen, hat das mal wieder deutlich gemacht.

Ein anderes Thema sorgt derzeit sogar für noch mehr und meist sehr unschöne Debatten: Die geplante Abschaffung des Trans­sexuellengesetzes und dessen Ersetzung durch ein bereits in Eckpunkten vorgestelltes Selbstbestimmungsgesetz. Sahra Wagenknecht, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, hat in der vergangenen Woche ausgerechnet im Interview mit dem konservativen Magazin Cicero die Frage verneint, ob das geplante Selbstbestimmungsgesetz ein linkes Vorhaben sei. »Die ganze Gender-Diskussion« halte sie »für maßlos überzogen«. Sie mache sich Sorgen um das Wohlergehen von »sehr jungen Menschen in der ohnehin schwierigen Phase der Pubertät«, denen »fast schon« nahegelegt werde, »in einem Geschlechterwechsel die Lösung ihrer Probleme zu suchen«. »Viele junge Frauen«, die »zu Recht mit der sozialen ­Geschlechterrolle, mit den geringeren Verdienst- und Aufstiegschancen, die sie im Vergleich zu Männern heute immer noch ­haben«, hadern, solle man »nicht motivieren, deshalb ihr biologisches Geschlecht zu verändern«. Zudem sei es gefährlich, dass demnächst »jeder durch einen Eintrag beim Amt mal eben sein Geschlecht ändern kann und Männer dadurch Zugang zum Frauensport, zu Frauenhäusern oder Frauengefängnissen bekommen«. Und sie ergänzt: »Es gibt nun einmal zwei Geschlechter.« Das sind alles talking points, die auch rechte »Demo für Alle«-Aktivist:­innen, lesbische Terfs und – leider – auch Kolleg:innen in der Jungle World so vorbringen könnten.

Wenn ein intersektionaler Feminismus als unwissenschaftlich und unmaterialistisch abgetan wird und sogar die überfällige Entscheidung, dass Autor:innen seit diesem Monat mit dem Doppelpunkt entgendern dürfen, statt maximal die binäre Form »Autorinnen und Autoren« benutzen zu können, als »Trend, den viele kritisch sehen« bezeichnet wird, ist es Zeit, sich zu trennen. Diese ­Kolumne ist leider kein Format, diesen verfehlten Ansichten so entschieden entgegenzutreten, wie es notwendig wäre.

Mit meinem depressiven und von den Nachwirkungen der Chemotherapie beeinträchtigten Gehirn versuche ich zudem seit längerer Zeit, ein Exposé für ein Buch über Brustkrebs, Gender­medizin und kapitalistische Gesundheitspolitik zu schreiben, aber seit der Erkrankung bin ich nur recht eingeschränkt konzentrations- und arbeitsfähig. Und auch viel weniger belastbar. Dabei war es in der Vergangenheit oft entlastend, mit der Kolumne ein ­Ventil zu haben, durch das ich den bei der Krebsbehandlung entstandenen Druck ablassen konnte: absurde Gespräche im Chemoraum, unlogische Covid-19-Schutzregeln, die zu mehr Gefährdung führten, unerwartete Nach- und Nebenwirkungen der Krebs­behandlung. Aber Bücher und Exposés sind ein bisschen wie Diamanten – wenn man zu wenig Druck hat, entsteht nichts. Die ­Entscheidung, diese Kolumne aufzugeben, ist also auch der Hoffnung geschuldet, dass mit der freiwerdenden Energie und dem sich anstauenden Druck ein Exposé für das Buch zustande kommt. (An Verlage, die Interesse haben: Meine DMs sind offen!)

 

Cam- statt Chem-Sex

In Berlin auf Events zu gehen, um im Dunkeln Sex mit Fremden zu haben, ist derzeit wegen des Ausbruchs der Affenpocken eine ganz schlechte Idee. Bodycheck – Meine Kolumne zu Biopolitik und Alltag in Jungle World .

Seit Mai gibt es eine neue Seuche: Affenpocken, international mit MPX abgekürzt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat den Ausbruch am 23. Juli zu einer »gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite« erklärt. Das Infektionsrisiko bewertet sie weltweit als moderat, in Europa aber als hoch. Deutschland und insbesondere Berlin sind Hotspots – von 31665 Affenpockeninfektionen weltweit entfallen der WHO zufolge 18005 auf Europa. Hierzulande gibt es 3142 gemeldete Fälle, davon 1497 in Berlin; bislang haben sich 3130 Männer, elf Frauen und eine Person unbekannten Geschlechts angesteckt.

Das löst Assoziationen aus. Zum einen mit der fortdauernden Covid-19-Pandemie, die ebenfalls eine »gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite« ist. Zum anderen mit dem HI-Virus und dem Umgang mit Aids-Kranken in den achtziger Jahren. Verschiedene Seuchen und Krankheiten miteinander zu vergleichen, kann sinnvoll sein, weil man manchmal mehr versteht. Wenn kurzschlüssige Analogien aber wichtige Unterschiede verdecken, kann es auch schaden.

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Ein lauter Ruf nach Impfstoff

im nd vom 6. August 22

Schmerzender Hautausschlag, begleitet von Fieber: Damit geht man gerade besser schnell zum Arzt, denn es könnte sich um Affenpocken handeln.

Von dem aktuellen Ausbruch sind nach Angaben des RKI in Deutschland zurzeit 2839 Menschen betroffen. Die Übertragung von Mensch zu Mensch ist eigentlich selten, und Ausbrüche sollten sich daher von selbst ausbrennen. Das ist im Moment allerdings nicht der Fall, vielmehr steigen die Zahlen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat deshalb am 23. Juli den aktuellen Ausbruch zu einer gesundheitlichen Notlage internationaler Tragweite erklärt hat. Weltweit meldet die WHO 26 017 Menschen, die sich mit dem Virus angesteckt haben, davon 4761 in den letzten sieben Tagen. In den meisten Fällen verläuft eine Infektion mild. Weltweit wurden aber auch bereits acht Todesfälle gemeldet.

Der aktuelle Ausbruch seit Mai konzentriert sich mit 16 295 Infizierten vor allem auf Europa; in Deutschland bildet Berlin den Hotspot mit 1418 Fällen. Übertragen wird das Virus durch engen Kontakt, vor allem durch Kontakt mit Hautverletzungen.

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Kein guter Sommer

Die erste Sommerwelle der Covid-19-Pandemie rollt fast ungebremst durchs Land. Neben der ständigen Gefahr einer Coronainfektion kann das auch auf die Psyche schlagen. Bodycheck – Meine Kolumne zu Biopolitik und Alltag in der Jungle World vom 04. August 22

Tja, nun hat es mich doch erwischt. Nein, nein, eine Covid-19-Infektion habe ich bislang dank viel Vorsicht, Verzicht und vier Impfungen vermieden. Aber nach Brustkrebs, Chemotherapie, Operation, Bestrahlung und zwei Berliner Coronawintern, konfrontiert mit andauernden Nebenwirkungen der vergangenen Therapien und der derzeitigen Antihormontherapie, außerdem der Covid-Sommerwelle, die gesteigerte Lebensfreude und soziale Aktivität für Leute, die sich nach wie vor nicht anstecken wollen, schon wieder erstickt, hat mich die Erkenntnis ereilt, dass ich mit ein bisschen Selbstsorge und viel Willenskraft nicht auskomme: Ich warte nicht mehr länger ab, dass es besser wird, sondern nehme Antidepressiva.

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Wie man einen Raum für Sex baut

Eine Innenarchitektin gestaltet Sexrooms in einer Reality-Serie auf Netflix. Sie zeigt sich offen für verschiedene Arten von Sexpositivität und Kink. taz vom 27. 7. 2022

Wer hätte nicht gerne einen eigenen Raum nur für Sex und Play, professionell eingerichtet nach eigenem Geschmack und Vorlieben? Dieses Szenario ist der Kern der neuen Realityserie „How to build a Sexroom“, in der die Innenarchitektin Melanie Rose für Netflix „Sexrooms“ gestaltet. Angesichts der Wohnungskrise vielleicht etwas dekadent, das macht die acht Episoden der Netflix-Dokuserie aber umso geeigneter für eskapistischen Konsum gewürzt mit ein bisschen Neid.

Die Ma­che­r*in­nen der Serie haben sich bei der Auswahl der Prot­ago­nis­t*in­nen sichtlich Mühe gegeben. Neben heterosexuellen weißen und schwarzen Paaren werden ein schwules und ein lesbisches Pärchen, eine alleinstehende Frau, ein Paar, bei dem eine Person als Pronomen they verwendet und eine Polykonstellation mit sieben Personen vorgestellt. Net­flix muss sich auf dem Feld auch Mühe geben: Im letzten Jahr war die Streaming-Plattform heftig für transfeindliche Aussagen des Comedian Dave Chappelle und die Entlassung der*s nicht­bi­nä­re*n Angestellten B. Pagels-Minor kritisiert worden.

Für die Show ist die sexuelle Orientierung der Prot­ago­nis­t*in­nen nicht wichtig, dafür ihre sexuellen Kinks und Vorlieben. Den meisten ist wichtig, dass sie „keinen Dungeon!“ haben wollen, wobei sie sich darunter ein Verlies oder einen frühneuzeitlichen Folterkeller vorstellen.

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Dem Krebs sind Himbeeren egal

Komplementäre Methoden bei Krebserkrankungen in Mabuse 256 (2/2022)

Naturheilkunde und „alternative Medizin“ sind bei Brustkrebspatient*innen sehr beliebt. Deswegen habe ich mir mal die neuen Leitlinien zu Komplementärtherapien angeschaut. Spoiler: Nichts genaues weiß man nicht. Mabuse-Texte sind nicht online, deswegen nun hier nachzulesen. Und aus gegebenen Anlass: Homöopathie ist keine Medizin, sondern Hokuspokus.

Bis vor wenigen Jahrzehnten hat sich die Medizin kaum um eine Bekämpfung der Nebenwirkungen von Krebstherapien gekümmert. Es gab nur wenige Therapiemöglichkeiten, die alle sehr anstrengend für die Patient:innen waren – aber man war froh, überhaupt Mittel gegen diese tödliche und komplizierte Krankheit zu haben. Dass es den Betroffenen nicht gut ging, sie sich tagelang erbrachen, Schmerzen am ganzen Körper hatten, irreparable Nervenschäden behielten, schien ein geringer Preis für das Überleben. Mit der Zunahme an wirksamen Therapieformen – Operation, Bestrahlung, Chemotherapie, Antihormontherapie – und dem Wissen über ihre Wirkungen und Nebenwirkungen konnten sie wirksamer dosiert werden.

Großes Angebot an Mitteln gegen Nebenwirkungen

Die möglichen Nebenwirkungen der verschiedenen Therapien sind aber weiterhin strapazierend für Körper und Psyche. Für einige Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen gibt es gute, erprobte Medikamente. Für andere wie Polyneuropathie, das sind Missempfindungen hauptsächlich in den Händen und Füßen, die sich bis zu bleibenden Nervenschäden entwickeln können, gibt es keine anerkannte Therapie. Im Hinblick auf die meisten potenziellen Nebenwirkungen ist mittlerweile ein riesiger Markt entstanden: Es gibt Ratgeber, Diätempfehlungen, Körperübungen und heilpflanzlichen oder homöopathischen Mittelchen. Die Versprechen sind bedeutend, die Preise auch, die Evidenz jedoch gering.

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Selbstexpertise zulassen

Das von der Bundesregierung geplante Selbstbestimmungsgesetz dürfte für die Betroffenen eine große Erleichterung bedeuten. Bodycheck – Meine Kolumne zu Biopolitik und Alltag in der Jungle World vom 07.07.2022

Die Eckpunkte für ein Selbstbestimmungsgesetz, die Frauenministerin Lisa Paus (Grüne) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) am Donnerstag vergangener Woche vorstellten, sind im Kern simpel: Um Vornamen und Geschlechtseintrag zu ändern, soll künftig eine Erklärung mit Eigenversicherung beim Standesamt darüber reichen, dass die Geschlechtsidentität nicht mit dem ­Geschlechtseintrag übereinstimmt. Das Gesetz soll das in mehreren Punkten verfassungswidrige Transsexuellengesetz (TSG) von 1980 ablösen.

Damit würde das Verfahren enorm vereinfacht und für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinärgeschlechtliche Menschen vereinheitlicht. Dies ist eine lange erwartete Reform und dürfte für die Betroffenen eine große Erleichterung bedeuten. Bisher bedarf es eines Gerichtsverfahrens, für das transgeschlecht­liche Menschen zwei Sachverständigengutachten vorlegen müssen, eine langwierige, teure und oft entwürdigende Prozedur. Für nichtbinärgeschlechtliche Personen gibt es zurzeit eigentlich kein Verfahren, um Namen und Personenstand zu ändern.

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Extremistische Abtreibungsgegner in den USA: Morden für das Leben

Supreme Court Abtreibungsgegner schreckten in der Vergangenheit auch vor Gewalt nicht zurück. Heute setzen sie auf den Supreme Court, der das Grundsatzurteil „Roe v. Wade“ abschaffen will. Was bedeutet das für Frauen in den USA? Im Freitag 19/2022

Durch ein Leak wurde Anfang Mai bekannt, dass die konservative Mehrheit im Supreme Court der USA das Urteil „Roe v. Wade“ kippen will – und damit das verfassungsgemäße Recht auf Abtreibungen bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Abtreibungsgegner*innen hatten seit dem Urteil von 1973 versucht, die mögliche Ausübung dieses Rechts einzuschränken. Dabei scheuten sie sogar vor terroristischen Mitteln nicht zurück.

Zwei Jahre nach dem Urteil veröffentlichte die National Conference of Catholic Bishops(NCCB) einen Plan, wie man gegen Roe v. Wade und seine Auswirkungen vorgehen könnte. Die Organisation schlug eine Kampagne für einen „Pro-Life“-Verfassungszusatz vor. Dieser sollte Kongress, Abgeordnetenhaus und den Bundesstaaten verbieten, Gesetze zu erlassen, die Abtreibungen erlauben, und das „Recht auf Leben“ ab der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle in der Verfassung verankern. Dafür sollte ein Netzwerk von Komitees aufgebaut werden, um auf lokaler Ebene die Auswahl von Kandidat*innen und Wahlen beeinflussen zu können.

Als Ronald Reagan 1980 zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, schienen die Bemühungen der Bewegung Früchte zu tragen. Reagan verkörperte mit seinem Lebensstil als geschiedener ehemaliger Hollywood-Schauspieler zwar so gar nicht die Werte der christlichen Rechten. Jedoch war er während des Wahlkampfs gezielt auf die Themen und Forderungen der Evangelikalen eingegangen: Evolutionstheorie? Glaubte Reagan nicht dran.

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Im Zweifel gegen den Zweifel

Bei Vorwürfen von sexualisierten Übergriffen sollte man auch kom­plizierte Geschichten des Opfers glauben. Bodycheck – Meine Kolumne zu Biopolitik und Alltag in der Jungle World 25.05.2022

Eine anonyme Gruppe erhebt auf Instagram Vorwürfe gegen den Sänger der Band Feine Sahne Fischfilet, in der Linkspartei spitzen sich die Konflikte über den Umgang mit mutmaßlichen Übergriffen zu, über die sexualisierte Gewalt auf dem Festival »Monis Rache« ­erscheinen demnächst ein Buch und ein Dokumentarfilm. Die Diskussion über die Bewertung von und den Umgang mit Sexismus, sexua­lisierten Übergriffen und Grenzverletzungen, mit Tätern und Betroffenen ist innerhalb des linken und linksradikalen ­Milieus so dringlich wie lange nicht.

Unvermeidlich scheint dabei die Verharmlosung von Übergriffen und die Infragestellung von Erfahrungen der Betroffenen zu sein. In der Theorie sind in der Linken selbstverständlich alle gegen Sexismus und Übergriffe, deswegen darf es halt so nicht passiert sein, sonst müsste man als Partei, als Politgruppe oder als Kollektiv ja etwas unternehmen. Beliebt ist die Methode, das Opfer zu diskreditieren, die Geschichte als unglaubwürdig und übertrieben darzustellen – wenn man es nicht geschafft hat, die Tat ganz aus der Öffentlichkeit zu halten.

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