Eine Berliner Publikumsmesse für ungewollt Kinderlose rief starken Widerspruch hervor (neues deutschland 22.02.2017, Bewegung)
Ein Kinderwunsch erfüllt sich häufig nicht von selbst. Messebesucher, darunter Singels ebenso wie hetero- und homosexuelle Paare, konnten sich am Wochenende informieren, wie sie ihrem Traum vom eigenen Baby näher kommen können. An rund 40 Ständen fanden sie Nahrungsergänzungsstoffe, Fruchtbarkeitsyoga und Beratung zu künstlicher Befruchtung.
Das Konzept der Besuchermesse war umstritten: Der Verein Spenderkinder hatte bereits Anfang des Jahres seine ethischen und rechtlichen Bedenken gegen das Event geäußert. Er wandte sich gegen die dort von ausländischen Kliniken angebotenen anonymen Samen- und Eizellspenden. Diese Praxis widerspreche dem Recht von Kindern auf Kenntnis ihrer eigenen Abstammung. Der Berufsverband der Frauenärzte bezweifelte, dass es sich um eine Informations- und nicht vielmehr um eine Werbeveranstaltung handelte. Der Berliner Landesverband der Gynäkologen warnte gar vor unseriöser Geldmacherei. Schließlich prüfte die Berliner Gesundheitsverwaltung die Möglichkeit, das Event zu verbieten. Einige Verbände wie der Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands (BRZ) hatten ihre Teilnahme abgesagt, damit sich das Event keinen seriösen Anstrich geben könne. Um genau diesen war die Veranstalterfirma F2F-Events aus Großbritannien gerade sehr bemüht.
Veranstaltungsleiter David MacAllister von F2F betonte im Gespräch unermüdlich, es gehe nicht ums Geschäft, sondern um die bestmögliche Information der »Patienten«, der Paare mit Kinderwunsch. Diese seien bislang auf die oft unzureichenden Auskünfte ihres lokalen Arztes oder die unsachgemäßen Hinweise im Internet angewiesen. Der unmittelbare Kontakt zu verschiedenen Anbietern sei für die Paare deswegen so wertvoll. Die auf der Messe präsentierten Informationen würden es den Paaren ermöglichen, die für ihre Situation beste Entscheidung zu treffen. Die deutsche Medienberichterstattung über sein Event empfindet MacAllister als voreingenommen. Denn man habe sich sehr bemüht, die deutschen Gesetze und Gepflogenheiten zu beachten. So müssten sich Aussteller an bestimmte Verhaltensregeln halten, dies würde auch kontrolliert.
Doch der Rundgang über die Ausstellung zeigt ein anderes Bild: Auf dem Tresen der ukrainischen Klinik liegt eine Preisliste, die auch Leistungen von in Deutschland verbotenen Behandlungsmethoden enthält. Außerdem gibt es Gutscheine für kostenlose Erstuntersuchungen und Beratungen. Einige Stände weiter verweist die Mitarbeiterin eines tschechischen Instituts direkt auf ihre Webseite, dort könne man alle Informationen finden, über die sie auf der Messe nicht sprechen dürfe. Sie erklärt den Besuchern und Besucherinnen, wie eine Eizellenübertragung ohne allzu großen Umstände für die Empfängerinnen vonstatten gehen könnte. Für die Beratung und zur Erstbehandlung könnten die Paare eine Berliner Partnerpraxis besuchen. Nur zur eigentlichen Eizellenübertragung müsse man dann nach Prag reisen. Allerdings bewegt sich ein solches Vorgehen im juristischen Graubereich.
Zu den Verhaltensregeln für die Kinderwunschtage gehört auch, dass die Anbieter keine unbegründeten Hoffnungen wecken und unrealistischen Erfolgszahlen präsentieren dürfen. Die Kooperationspartner der Messeveranstalter scheint das jedoch wenig zu beeindrucken: Der US-amerikanische Anbieter Oregon Reproductive Medicine verspricht »gesunde Kinder«, die Mitarbeiterin von IVF Spain behauptet eine »Baby-take-home-Rate« von 95 Prozent. Diese Rate beschreibt die Wahrscheinlichkeit, mit der eine Behandlung tatsächlich zu einem Kind führt. Der Verband für Familienplanung Pro Familie sieht die durchschnittliche Rate für Deutschland bei nur 17,5 Prozent.
Draußen vor der Tür protestieren Feministinnen gegen die Messe. Mit einem Hasenkostüm und bunten Eiern machen sie darauf aufmerksam, dass eine Eizellentnahme immer gesundheitliche Risiken birgt und die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Eizellabgebenden und Leihgebärenden hinter den Bedürfnissen der Paare mit Kinderwunsch verschwinden. »Woher kommen die Eier?«, fragen sie und »in welcher Gesellschaft wollen wir leben?«
David MacAllister will im nächsten Jahr wiederkommen – auch über ähnliche Events in anderen deutschen Städten werde nachgedacht. Der Deutsche Ethikrat lädt im März zu einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung zu »reproduktiven Reisen« und deren Konsequenzen in Deutschland. So wird die Debatte wohl fortgesetzt werden.