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26.07.17 – Berlin

Premiere „Decyzja – unsere Entscheidung für den Protest“ – Dokumentarfilm über den Schwarzen Protest im City Kino Wedding

Der „Schwarze Protest” („Czarny Protest“) ist eine Protestbewegung, die im Frühjahr 2016 als Reaktion auf die Debatte um ein neues Abtreibungsgesetz in Polen entstand. Ihren Höhepunkt fand sie am 3. Oktober, dem „Schwarzen Montag“, an dem mehrere Zehntausend Frauen im ganzen Land demonstrieren gingen.

Der 30-minütige Dokumentarfilm wird im Anschluss mit unseren Gästen Ewa Maria Slaska, Anna Krenz, Kirsten Achtelik und Gabriele Freitag diskutiert.

18:00 Uhr Einlass
18:30 Uhr Filmpremiere „Decyzja“
19:00 Uhr Podiumsdiskussion
im Anschluss: Getränke und polnische Snacks

Gäste:
Ewa Maria Slaska – Vorsitzende der Städtepartner Stettin e.V.
Anna Krenz – Mitgründerin von Dziewuchy Dziewuchom Berlin
Kirsten Achtelik – Diplom-Soziologin und Journalistin
Gabriele Freitag – Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde e.V.

Um Anmeldung wird gebeten: polandinmotion@gmail.com. Der Eintritt beträgt 4€. Das Kino ist rolligerecht.

Frauen wollen selbst entscheiden

in der Lotta, Juni 2017

Sexuelle Selbstbestimmung ist ein Menschenrecht. Und doch versuchen in vielen Ländern selbsternannte Lebensschützer und konservative Regierungen die Rechte der Frauen einzuschränken oder sie ihnen ganz zu nehmen.

Deutschland

„In Deutschland ist in Vergessenheit geraten, dass Abtreibungen rechtswidrig sind!“ So beginnt eine von der Zeitschrift ideaSpektrum, Publikation des evangelikalen Dachverbandes Deutsche Evangelische Allianz, lancierte Petition an den Bundestag. Mitte Mai dieses Jahres hatten bereits mehr als 10.000 Menschen die Petition unterzeichnet. Die „Lebensschützer“ kritisieren, dass das Wissen um die Rechtslage über Schwangerschaftsabbrüche zu wenig verbreitet sei. Das finden auch Feministinnen problematisch, kommen allerdings zu entgegengesetzten Forderungen. Während radikale Abtreibungsgegner und Gegnerinnen ein „Recht auf Leben“ für Föten etablieren und die Möglichkeit zum Schwangerschaftsabbruch einschränken wollen, skandalisieren Feministinnen, dass Abtreibung ein im Strafgesetzbuch aufgeführtes Tötungsdelikt ist und fordern ein Recht auf dieses medizinisch unproblematische Verfahren. In Deutschland ist Abtreibung nämlich keineswegs ein Recht, sondern eigentlich verboten und nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt – unter anderen wird der Rechtsbruch nicht strafverfolgt, wenn sich die Schwangere einer Beratung ausgesetzt und danach drei Tage gewartet hat. Diese Petition stellt nur einen Versuch der „Lebensschützer“ dar, den realen Zugang zu Abbrüchen zu erschweren. Ein anderer war der Vorstoß des bekennenden Christen Thomas Börner, Gynäkologie-Chefarzt der Capio-Elbe-Jeetzel-Klinik im niedersächsischen Dannenberg, seiner ganzen Abteilung zu untersagen, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Dies löste große öffentliche Aufregung aus und bewegte die Klinikleitung zu der Klarstellung, dass auch ein Chefarzt eine solche Befugnis nicht hat. Es handelt sich um eine Gewissensentscheidung, die jede Ärztin und jeder einzelne Arzt für sich treffen kann und muss, dies kann nicht verordnet werden. Börner hat daraufhin seine Stelle aufgegeben.

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„Die Idee der absoluten Kontrolle ist total antiemanzipatorisch“

Interview in an.schläge 2017, IV / 2017, Thema

KIRSTEN ACHTELIK übt scharfe Kritik an der Pränataldiagnostik und fordert (Queer-)Feminist_innen dazu auf, die Frage nach Selbstbestimmung neu zu stellen. Interview: KATHARINA PAYK

an.schläge: In Ihrer Auseinandersetzung mit den Rechten von Menschen mit Behinderung positionieren Sie sich immer klar als Feministin. Zugleich üben Sie scharfe Kritik an feministischen Gruppen, die sich für das Recht auf legalen Schwangerschaftsabbruch stark gemacht haben, indem sie für die eugenische Indikation plädierten. Die Gruppe „Brot und Rosen“ argumentierte 1974 etwa, dass es für die Bevölkerung ein Vorteil wäre, „dass solchen Schäden (damit ist eine angeborene Behinderung gemeint, Anm.) durch Forschung und Behandlung vorgebeugt wird“. (1)

Kirsten Achtelik: Ich glaube, dass „Brot und Rosen“ damals ausgesprochen haben, was viele gedacht haben. Der Diskurs rund um die Wiedereinführung der sogenannten eugenischen Indikation zeigt, dass es sehr wenig Auseinandersetzung damit gab. Natürlich ist das auch darauf zurückzuführen, dass der Großteil der Frauenbewegung sowieso keine Indikationsregelung haben wollte, sondern den Abtreibungsparagrafen abschaffen wollte – deshalb war für sie die Indikation nur zweitrangig. Aber andererseits fällt auf, dass es zur sozialen Indikation beispielsweise sehr wohl Auseinandersetzung gab. Es gab eine innerfeministische kritische Auseinandersetzung mit dieser sehr wichtigen Gruppe, aber nicht mit den behindertenfeindlichen Aussagen, die weibliche Selbstbestimmung und Leben mit behinderten Kindern gegeneinander stellten. Man kann daraus schließen, dass das eigentlich ein Konsens war in der Szene.
In der Gruppe „Brot und Rosen“ waren auch Aktivistinnen aus der Kinderladenbewegung, die sich dafür einsetzten, mit Kindern studieren, arbeiten und Politik machen zu können. Das heißt, es war ein Diskurs über das Leben mit Kindern – unter bestimmten, „erschwerten“, Umständen – da. Warum also war das Thema Leben mit Kindern mit Behinderung kein Thema? Sowohl Behindertenrechtsbewegung als auch feministische Bewegung sind beide emanzipatorische Bewegungen, die eigentlich die gleichen Ziele haben sollten.

Gibt es heute mehr Überschneidungen zwischen feministischer Bewegung und Behindertenrechtsbewegung, auch in Bezug auf Abtreibung?

In den letzten Jahren nimmt die Diskussion um Behindertenfeindlichkeit und Ableism in der (queer-)feministischen Szene schon zu.

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Wenn Wissen weh tut

Interview im Stadtgeflüster Münster Ausgabe 04 April 2017 (noch nicht digital)

Überglücklich schwanger in der neunten Woche und dann das Untersuchungsergebnis:
Das werdende Kind hat einen Herzfehler, wird niemals ohne Hilfe rund um die Uhr leben
können. Abtreiben, oder nicht? Kirsten Achtelik hat eine klare Meinung: gar nicht erst
alle Untersuchungen durchführen lassen, die die pränatale Diagnostik ermöglicht.
Am Telefon erklärt mir die Buchautorin, warum diese Vorsorge uns zu einer
behindertenfeindlichen Gesellschaft macht.

Pränatale Diagnostik – Die Suche nach der Abweichung

in der Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, April 2017, Nummer 4, Schwerpunkt: Ethik in der Heil- und Sonderpädagogik

„PraenaTest® schafft Wissen. Zuverlässig. Schnell. Sicher.“ So wirbt die in Deutschland ansässige Herstellerfirma LifeCodexx bei Schwangeren* für die neuen Methoden der pränatalen Untersuchung auf Trisomien und Geschlechterchromosomenabweichung (LifeCodexx, 2017). Dabei wird wie selbstverständlich vorausgesetzt, dass „Wissen“ gut und sinnvoll ist und Schwangeren* bei ihren „reproduktiven Entscheidungen“ hilft. Doch von welchen Entscheidungen ist die Rede? Die pränatale Suche nach Behinderungen des Fötus beginnt erst, nachdem die Entscheidung, ob die Schwangerschaft ausgetragen wird, eigentlich schon getroffen wurde. Die reproduktive Entscheidungsfrage lautet also nicht: „Will ich überhaupt ein Kind?“ oder „Kann ich mir jetzt vorstellen, ein Kind zu bekommen?“ Zur Beantwortung dieser Fragen wären pränatale Tests auch denkbar ungeeignet. Die Entscheidungsfrage, auf die die schwangere Person oftmals mehr zuschlittert als bewusst zugeht, ist am Ende der pränatalen Diagnosespirale vielmehr: „Will ich dieses Kind bekommen oder nicht?“ Die Frage, ob man sich das Leben mit einem Kind mit Behinderung vorstellen kann, gilt gesellschaftlich als legitim – die Gesundheitssysteme und Krankenversicherungen betreiben einigen Aufwand, schwangeren Frauen* diese Frage zu ermöglichen bzw. sie dieser Frage überhaupt zuzuführen. Den meisten Schwangeren* wird oft erst im Laufe des Verfahrens klar, dass hier nicht ihre eigentliche Frage, ob alles in Ordnung ist, beantwortet wird, sondern vielmehr systematisch nach dem Fehler am Fötus gesucht wird.

* Der Stern stellt den Versuch dar, Identitäten jenseits der zugeschriebenen Zweigeschlechtlichkeit sichtbar zu machen und zu markieren, dass die Kategorie „Frau“ keine biologische, sondern eine sozial hergestellte ist, hinter der sich unterschiedliche Lebensrealitäten und Erfahrungen verbergen. Menschen mit Uterus sind nicht alle Frauen, nicht alle Frauen* können Kinder bekommen und auch nicht alle Schwangeren* nehmen sich selbst als Frauen wahr.

Selbstbestimmung Abtreibung Behinderung

in der AS.ISM4 – Streitschrift gegen sexistische Zustände

Niemandem gefällt es, wenn immer andere bestimmen, was man tun und lassen soll. Darum wehren sich Menschen gegen Unterdrückung und Diskriminierung. Sie schließen sich zu Bewegungen zusammen, um für ihre Selbstbestimmung zu kämpfen. Um eine Person zu sein, die selbst entscheiden kann, muss man als autonome, zu freien Entscheidungen über die eigene Lebensführung fähige und berechtigte Person gesellschaftlich anerkannt werden. Dies wurde früher nur weißen, heterosexuellen, bürgerlichen Männern* zugestanden – Frauen* und Behinderte mussten sich das erst erkämpfen.

Für die westliche feministische Bewegung ist Selbstbestimmung gleichzeitig Weg und Ziel der Selbstbefreiung. In der BRD bildete sich diese Idee im Kampf gegen das Abtreibungsverbot seit Anfang der 1970er Jahre heraus. Das Konzept Selbstbestimmung wird als Abwehr äußerer Einflüsse auf die Entscheidungen von schwangeren Menschen verstanden. Soziale Bewegungen gebrauchen den Begriff aber gewöhnlich in einem weiteren Sinne, der die Hoffnung beinhaltet, dass mit der Erweiterung der persönlichen Autonomie der Einzelnen auch die ganze Gesellschaft freier wird.

An der Abtreibungsregelung wurde und wird kritisiert, dass Schwangere nicht selbst über ihren Körper und ihre Fruchtbarkeit, also ob sie Kinder bekommen wollen oder nicht,entscheiden dürfen. Rechtlich wird das in Deutschland durch den Paragraphen 218 ff. im Strafgesetzbuch geregelt, der unter anderem Schwangere dazu verpflichtet, vor einer Abtreibung zu einer Zwangsberatung zu gehen. Außerdem gibt es eine moralische Verurteilung von Frauen*, die kein Kind haben wollen und deswegen abtreiben wollen oder abgetrieben haben. Die feministische Bewegung arbeitet neuerdings wieder verstärkt daran,diese Verbote abzuschaffen und dafür, dass die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch akzeptiert und nicht kritisiert wird.

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Radiointerview mit Radio FRO 105,0

Feministische Kontroversen: Der Begriff der Selbstbestimmung und die Praxis der Pränataldiagnostik/selektiver Abtreibung

Im Oktober war sie auf Lesereise in Österreich, um ihr 2015 im Verbrecherverlag erschienenes Buch „Selbstbestimmte Norm. Feminismus, Pränataldiagnostik, Abtreibung“ vorzustellen. In dem Buch beschäftigt sie sich zum einen bewegungsgeschichtlich mit den feministischen Kämpfen um Abtreibung in der BRD, als auch mit der Behindertenrechtsbewegung. Sie bringt diese durch eine kritische Diskussion des Selbstbestimmungsbegriffes zusammen. Im Fokus steht ihre Auseinandersetzung mit selektiver Pränataldiagnostik, die mittlerweile, wenn eine Behinderung des Kindes angenommen wird, meistens zur Abtreibung führt.

Sie plädiert an Feminist_innen und Abtreibungsaktivist_innen, aktuelle Entwicklungen rund um Pränataldiagnostik und die Auswirkungen von selektiver Abtreibung nicht außer Acht zu lassen, sondern diese zu diskutieren und Stellung zu beziehen. Dabei geht es ihr auch darum, das Thema nicht den sogenannten Lebensschützern zu überlassen, die auf ihren „Märschen für das Leben“ Menschen mit Behinderung immer stärker einbinden, um Frauen das Recht auf Abtreibung generell abzusprechen. Im Gespräch macht Achtelik konkrete Vorschläge, um einer Normalisierung selektiver Diagnostik entgegenzuwirken und die Selbstbestimmung von schwangeren Frauen  zu stärken.

Christiane Löper, Redakteurin bei Radio Fro traf Kirsten Achtelik Interview in Salzburg.

06.07.2017 – Mainz

18 – 20 Uhr in der Heinrich Böll Stiftung, Walpodenstr. 10 in Mainz, Veranstalter Frauenzentrum Mainz in Kooperation mit pro familia Zentrum Mainz, Heinrich Böll Stiftung RLP

Vortrag von Kirsten Achtelik

Wie selbstbestimmt kann eine Entscheidung über pränataldiagnostische Untersuchungen in einer Gesellschaft sein, in der Behinderung immer noch als problematisch und schwierig angesehen wird?
Pränataldiagnostik ist ein komplexes und umstrittenes Thema. Befürworter_innen betonen das Recht auf Wissen, Kritiker_innen fordern ein Recht auf Nichtwissen ein. Dissens besteht auch darüber, welche Untersuchungen für die Gesundheit von Schwangeren und werdenden Kindern wichtig sind. Mit der Ausweitung diagnostischer Methoden – wie etwa dem nicht invasiven Bluttest PraenaTest – steigt der Druck auf Schwangere alle medizinischen Möglichkeiten zum Ausschluss einer Behinderung auszuschöpfen. Können Beratung und Information dieser Dynamik genug entgegensetzen?
Kirsten Achtelik diskutiert in ihrem Vortrag, wie die Forderung nach einem Recht auf Abtreibung mit einer feminisischen Kritik an Pränataldiagnostik zusammengedacht werden kann.

03.07.2017 – Frankfurt

20 Uhr, KARL MARX BUCHHANDLUNG, Jordanstr. 11

Selbstbestimmung ist eine der zentralen Forderungen sozialer Bewegungen im Anschluss an die Revolten der 1960er Jahre gewesen. Insbesondere die Frauenbewegung und – allzu oft vergessen – die Behindertenbewegung haben sich an der Ausgestaltung dieser Forderung abgearbeitet. Selbstbestimmung über die eigenen reproduktiven Möglichkeiten aus feministischer Sicht und Selbstbestimmung über ein Leben mit Behinderung können jedoch in Widerspruch zueinander treten.
Kirsten Achtelik nimmt in ihrem Buch „Selbstbestimmte Norm. Feminismus, Pränataldiagnostik, Abtreibung“ die historische Phase nach Beendigung der mörderischen Eugenik im Nationalsozialismus in den Blick. In der Bundesrepublik wurden zunehmend modernisierte und individualisierte Argumente zur Begündung von selektiver Pränataldiagnostik verwendet – Selbstbestimmung, Eigenverantwortung und die Verhinderung von Leid. Die vermeintlich freie, individuelle Entscheidung führt in Kombination mit gesellschaftlicher Behindertenfeindlichkeit (Ableism) zu der immer gleichen Entscheidung: Etwa neun von zehn Frauen entscheiden sich heute bei der Diagnose „Trisomie 21“ zum Schwangerschaftsabbruch.
Achtelik setzt der selektiven pränatalen Suche nach Behinderung eine „Selbstbestimmung ohne Selektion“ entgegen. Wie diese aussehen kann und welche Fallstricke diese Debatte enthält, darüber diskutieren wir mit der Autorin anlässlich ihrer Buchvorstellung.