Der Bundestag reformiert das Adoptionshilfegesetz. Dabei wird für lesbische Partnerinnen eine Zwangsberatung eingeführt. taz, 29.05.20
Diese Woche hat der Bundestag das Adoptionswesen modernisiert. Am Donnerstag beschloss das Parlament mit den Stimmen der Großen Koalition das entsprechende Adoptionshilfegesetz. Was toll daran ist: Die Strukturen der Adoptionsvermittlung werden gestärkt und unbegleitete Adoptionen aus dem Ausland verboten. Pro Jahr kommt es in Deutschland zu mehreren Tausend Adoptionen, darunter mehrere Hundert Auslandsadoptionen – und wenn sich für diese Kinder und Familien nun die Situation verbessert, sollte es ja keinen Grund zum Klagen geben. Oder?
Leider ändert das Gesetz – ganz en passant – aber auch die Situation weiterer Familien, und zwar nicht zum Besseren. Der Zweimütterfamilien. Für die wird es nun noch schwieriger werden, als es ohnehin schon ist.
Frauen, die mit Hilfe einer Samenspende miteinander Kinder bekommen, werden nämlich nicht, wie man annehmen könnte, automatisch beide Mütter. Bei Heteros ist das so. Bei verheirateten Hetropaaren gelten beide automatisch als Eltern, auch wenn der Ehemann gar nicht der leibliche Vater ist. Bei unverheirateten Paaren muss der Partner derweil nur ein Papier unterschreiben, die Vaterschaftsanerkennung.
Lesben und bisexuelle Frauen hingegen müssen trotz Ehe für alle den langwierigen Weg der sogenannten Stiefkindadoption gehen, das bedeutet Kontrollen und Eignungsprüfung durch das Jugendamt. Dazu kommt nun mit dem neuen Adoptionshilfegesetz auch noch eine Beratungspflicht obendrauf.
In der Parlamentsdebatte wurde deutlich, dass die CDU/CSU eine fortschrittlichere Regelung verhindert hatte. Die Familienministerin Franziska Giffey (SPD) erklärte bei ihrer Präsentation des Gesetzentwurfs, für sie seien Zweimütterfamilien keine Adoptions-, sondern Herkunftsfamilien, deswegen habe sie eine Ausnahme für lesbische Paare befürwortet. Die SPD-Abgeordnete Susann Rüthrich bezeichnete die Beratungspflicht für Zweimütterfamilien in der Debatte sogar als „Quatsch“.
Was in einer solchen Beratung geklärt werden müsste, ist wahrscheinlich nicht einmal der CDU klar. Und so ist auch gerechtfertigt, dass die links-grünen Oppositionsparteien den dicken Hammer des Diskriminierungsvorwurfs auspacken. Andererseits: So eine Beratung mag zwar belastend sein und stellt ohne Zweifel eine Ungleichbehandlung dar. In der Realität des oft monatelang dauernden, nervigen Adoptionsprozesses wird ein weiterer Beratungstermin aber möglicherweise gar nicht groß auffallen.
Die große Ungleichbehandlung, die Stiefkindadoption, könnte hingegen nur durch eine Reform des Abstammungsrechts abgeschafft werden. Dieses Brett ist jedoch zu dick für die Koalitionsparteien. Der entsprechende Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium liegt seit März vergangenen Jahres herum, passiert ist seither nichts. Stattdessen Stückwerk: Das vom Bundesverfassungsgericht eingeforderte Recht auf Stiefkindadoption auch für nicht verheiratete oder verpartnerte Paare wurde Mitte Februar, immerhin anderthalb Monate vor Ablauf der Frist, verabschiedet. Hier geht es in der Regel nicht um Babys, sondern um größere Kinder und neu zusammenwachsende Familien.
Und so gerne wahrscheinlich alle, außer ein paar ultrakonservativen CDU/CSU-Abgeordneten und der AfD-Fraktion, den lesbischen und bisexuellen Müttern die bürokratischen Irrwege ersparen würden: das Abstammungsrecht wirft Fragen auf, über die in den meisten Parteien keine Einigkeit besteht, wie zum Beispiel die der Anerkennung und Legalisierung bisher verbotener reproduktiver Technologien.
Wenn das Abstammungsrecht wirklich so reformiert werden soll, dass tatsächlich alle damit verbundenen Fragen von Verwandtschaft, Anerkennung und Rechten gelöst würden, muss die Anerkennung von Kindern geregelt werden, die im Ausland durch Leihmütter ausgetragen wurden. Regelungen für das Ausland würden auch Weichen für die Anwendung der Technologien im Inland stellen – und außer der FDP will glücklicherweise keine Partei Leihmutterschaft in Deutschland zulassen.
Um lesbische Mütter zumindest nicht weiter zu diskriminieren, hätte man auch einfach ein Recht auf Beratung statt einer Pflicht einführen können – Zwangsberatung gilt unter Expert*innen der sozialen Arbeit sowieso als nutzlos bis schädlich.