In der taz, 13.01.2020, S. 18
Hexer beschützen die Welt der Menschen in einer magischen Welt voller Monster und Fabelwesen – das ist der Hintergrund für die Fantasy-Saga „The Witcher“ um den Hexer Geralt von Riva. Die Netflix-Serie beruht auf dem Werk des polnischen Schriftstellers Andrzej Sapkowski. Die slawische Mythen aufgreifende Story ist unterhaltsam und auch für nicht Expert*innen der Saga verständlich, wenn man einmal verstanden hat, dass nicht linear erzählt wird.
Immer wieder stellt die Serie die Frage, wer oder was als Monster gelten soll, böse ist und somit den Tod verdient. Der Protagonist selbst gilt nicht als Mensch, sondern als „Mutant“ – Hexer erwerben ihre magischen Kräfte und eine extrem hohe Lebenserwartung durch eine künstlich hervorgerufene Mutation in der Kindheit. Daher werden sie in dieser an ein frühes osteuropäisches Mittelalter erinnernden Welt gefürchtet. Ähnlich geht es der wichtigsten weiblichen Nebenfigur, der Magierin Yennefer von Vengerberg, mit der Geralt eine On-off-Affäre führt. Sie stammt von Elfen ab und hat eine sichtbare körperliche Behinderung. Für beides wird sie beschimpft und misshandelt.
Im Umgang mit dieser Figur ist die Serie ärgerlich, weil sie die Möglichkeit einer positiv besetzten, nicht normschönen weiblichen Figur verschenkt. Stattdessen muss Yennefer so sehr unter ihrer Beeinträchtigung leiden, dass sie sich einem schmerzhaften Ritual unterzieht. Dabei gibt sie ihre Fruchtbarkeit für einen ebenmäßigen Körper und Macht auf. Zwar ist dieser Tausch bereits in den Büchern angelegt, für die Serie wurde das Motiv aber drastisch aufgebläht. Merke: Behinderung, Schönheit und Macht gibt es nicht zusammen.
Dann wird plötzlich ein Kinderwunsch zu ihrem alles beherrschenden Motiv – ohne dass wir sie vorher auch nur einmal interessiert mit einem Kind umgehen sehen. Es wird wohl die biologische Uhr sein – oder ist es das Drehbuch, das sie als Ersatzmutter für die Jugendliche Cirilla von Cintra vorsieht, deren Schicksal mit dem von Geralt verbunden ist? Auch diese Entwicklung rekurriert auf die Bücher, aber muss man heutzutage reaktionärer erzählen als im Polen der 80er und 90er Jahre? Wieder einmal wird die alte Geschichte fehlender bzw. fehlgeleiteter weiblicher Entscheidungsfähigkeit und unentrinnbarer Mutterinstinkte erzählt – leider nicht nur langweilig, sondern auch ableistisch und sexistisch. Damit vergibt die Serie eine große Chance, eben nicht ein hinterwäldlerisches Pseudo-Mittelalter mit Drachen vorzuführen, sondern Fantasy und Magie zur Erzählung von Figuren zu nutzen, die wachsen und überraschen.