Kritik an Netflix-Show „Queer Eye“. Die Show wird zu Recht gerühmt für den wertschätzenden Umgang mit den Kandidat*innen. Nach der Folge mit einem Querschnittsgelähmten gab es Kritik. In der taz Gesellschaft/Medien vom 30.07.19
Die Netflix-Reality Show „Queer Eye“ verleiht in jeder Folge einer Person ein Makeover – anders als in vielen anderen Shows gibt es hier aber weder Geringschätzung noch Verächtlichmachung. Stattdessen sind die „Fab Five“, die fünf queeren und schwulen Berater*innen, zugewandt, respektvoll und häufig bereit, Storys aus ihrem eigenen Leben über Depression oder Diskriminierung zu teilen.
Die Kandidat*innen bekommen nicht nur ein äußeres Makeover, vielmehr werden auch schwierige Lebensbedingungen thematisiert und Freund*innen, Familie und die Community in den Veränderungsprozess mit einbezogen. Diese wertschätzende Hilfe und die gemeinsamen Bemühungen, zum eigenen „besseren Selbst“ zu werden, ist oft zu Tränen rührend.
Um so bedauerlicher, dass das Einbeziehen der Community und ihrer Debatten ausgerechnet in der zweiten Folge der gerade gestarteten vierten Staffel nicht wirklich gelingt. Protagonist ist der 30-jährige querschnittsgelähmte schwarze Wesley Hamilton, der eine Dealer-Karriere hinter sich hat und mit 24 Jahren mehrfach angeschossen wurde. Aus Bettlägerigkeit, Übergewicht und Depression hat er sich selbst mit Sport und Ernährungsumstellung befreit und die NGO „Disabled but not really“ gegründet.
Die Show wurde von Behindertenaktivist*innen auf Twitter heftig diskutiert und kritisiert. Einer der Hauptkritikpunkte war die unterschiedliche Behandlung der Behinderung im Verhältnis zu anderen Identitäten wie Blackness oder Queerness. Vielleicht haben sich die Fab Five mit der Wahl ihres ersten Protagonisten mit Behinderung übernommen, bei dem als schwarzen alleinerziehenden Vater, ehemaligen Kriminellen, Überlebenden einer Schießerei und daraus resultierender Behinderung viele Identitäten und Zuschreibungen zusammenkommen und interagieren. Jedenfalls haben sie es versäumt, wichtigen Konzepten der Disability Community Raum zu geben.
Die 2014 verstorbene australische Journalistin Stella Young hat die Abwertung behinderter Menschen, die darin liegt, sie als Inspiration wahrzunehmen, in einem TEDxTalk problematisiert: Behinderte Menschen würden als Leute mit einem sehr schlimmen Schicksal wahrgenommen, dessen tägliche Bewältigung mit einer positiven Einstellung eine Inspiration für die „normalen“, nichtbeeinträchtigten Leute sei. Diese Rolle nannte sie „Inspirationspornografie“.Solche Kritik am alltäglichen Ableismus wird geradezu konterkariert von Hamiltons offensichtlichem Bestreben, eben gerade eine Inspiration zu sein für die schwarzen Jungs, die nichts mit ihrem Leben anzufangen wissen, und für die Menschen mit Beeinträchtigungen, die Einschränkungen des Körpers durch eine Einstellungsänderung zu überwinden.
Die Vision seiner NGO ist nichts Geringeres, als die globale Community der Menschen mit Beeinträchtigung durch Fitness und Ernährung zu inspirieren und zu empowern. Dass dies ihm und anderen gutgetan hat, ist nicht das Problem, schwierig ist allerdings die erste Selbstrepräsentation eines schwarzen Rollstuhlnutzers in dieser Show, die Vorurteile über Behinderung verstärkt, statt sie anzugreifen.