Dieses Buch erzählt die Geschichten von acht „Berufsverbrecherinnen“ – vorbestrafte Abtreiberinnen und Diebinnen aus Österreich, die ins Frauen-KZ Ravensbrück deportiert wurden. (In GID 239, Dezember 2016, S. 42)
Diese Gruppe musste in den Konzentrationslagern einen „grünen Winkel“ tragen und galt selbst unter den Überlebenden als nicht dazugehörig. Über diese Häftlingsgruppe ist bis heute fast nichts bekannt, und von den Opfern existieren keinerlei Selbstzeugnisse. Anhand von Gerichtsakten rekonstruiert Sylvia Köchl die Biografien und arbeitet ein bisher unbekanntes Kapitel der NS-Geschichte auf. Der Skandal war nach dem 2. Weltkrieg nicht vorbei: Die „Berufsverbrecherinnen“ haben bis heute keinen Anspruch auf Opferentschädigung. Erstaunlicherweise hat sich die Autorin für eine weitgehende Anonymisierung der verfolgten Frauen und ihrer Familien entschieden. Sie begründet das mit bis heute wiederkehrenden Stigmatisierungen der Opfer und ihrer Nachkommen wenn Geschichten von Vorstrafen, Gerichtsverfahren, Gefängnisaufenthalten und KZ-Haft bekannt würden. Die negativen Beispiele, die sie dafür anführt, stammen jedoch aus Mitte beziehungsweise Ende der 1990er Jahre. Interessant wäre es, diese sicherlich berechtigten Überlegungen mit den Debatten um die Namensnennung der „Euthanasie“-Opfer zu verknüpfen, die darauf abzielen, dass es für ein würdiges Gedenken notwendig ist, die vollständigen Namen der Opfer zu nennen und sie nicht erneut zu verstecken (siehe „Beinahe vergessene Opfer“, S. 33 in diesem Heft). Ein sehr verdienstvolles Buch, das auf intensiven Recherchen beruht und hoffentlich den Grundstein zu weiterer Aufarbeitung legt.
Sylvia Köchl: „Das Bedürfnis nach gerechter Sühne“. Wege von „Berufsverbrecherinnen“ in das Konzentrationslager Ravensbrück. Mandelbaum (2016), 340 Seiten, 24,90 Euro, ISBN 978385476-507-3