Eine Innenarchitektin gestaltet Sexrooms in einer Reality-Serie auf Netflix. Sie zeigt sich offen für verschiedene Arten von Sexpositivität und Kink. taz vom 27. 7. 2022
Wer hätte nicht gerne einen eigenen Raum nur für Sex und Play, professionell eingerichtet nach eigenem Geschmack und Vorlieben? Dieses Szenario ist der Kern der neuen Realityserie „How to build a Sexroom“, in der die Innenarchitektin Melanie Rose für Netflix „Sexrooms“ gestaltet. Angesichts der Wohnungskrise vielleicht etwas dekadent, das macht die acht Episoden der Netflix-Dokuserie aber umso geeigneter für eskapistischen Konsum gewürzt mit ein bisschen Neid.
Die Macher*innen der Serie haben sich bei der Auswahl der Protagonist*innen sichtlich Mühe gegeben. Neben heterosexuellen weißen und schwarzen Paaren werden ein schwules und ein lesbisches Pärchen, eine alleinstehende Frau, ein Paar, bei dem eine Person als Pronomen they verwendet und eine Polykonstellation mit sieben Personen vorgestellt. Netflix muss sich auf dem Feld auch Mühe geben: Im letzten Jahr war die Streaming-Plattform heftig für transfeindliche Aussagen des Comedian Dave Chappelle und die Entlassung der*s nichtbinäre*n Angestellten B. Pagels-Minor kritisiert worden.
Für die Show ist die sexuelle Orientierung der Protagonist*innen nicht wichtig, dafür ihre sexuellen Kinks und Vorlieben. Den meisten ist wichtig, dass sie „keinen Dungeon!“ haben wollen, wobei sie sich darunter ein Verlies oder einen frühneuzeitlichen Folterkeller vorstellen.
Die Räume, die entstehen, unterscheiden sich oft eher durch nicht gut abwaschbare Oberflächen von den tatsächlichen Playrooms der BDSM-Community. Andreaskreuze, also Fesselvorrichtungen in der Form eines großen X, Sexschaukeln und sogar Käfige werden als selbstverständliche Möbelstücke in das Gesamtensemble eingefügt, genauso wie Fixierpunkte für Bondage und Suspension, also Hänge-Bondage, große Duschen und Badewannen. Die Serie zeigt sich offen für verschiedene Spielarten von Sexpositivität und Kink und normalisiert auch Vorlieben, die außerhalb der Kink-Community als eklig gelten, wie Pissplay.
Rose ist bei den Planungsgesprächen offensichtlich immer bemüht, nicht nur die aktuellen sexuellen Vorlieben ihrer Protagonist*innen zu erfahren, sondern Vorschläge für weitere Spielarten zu machen. Das wirkt spielerisch und neckisch, bedauerlicherweise ist sie dabei nicht immer in der Lage, ein „Nein, das interessiert mich nicht“ zu akzeptieren. Einem schwarzen Mann bietet sie so oft Handschellen an, dass er sich gezwungen sieht zu erklären, dass er als schwarzer Mann in den USA einfach kein unbefangenes Verhältnis zu Handschellen habe. Das ist sicher für das Storytelling interessant, aber kein gutes Beispiel für Konsenskultur und der Achtung von kommunizierten Grenzen.
Ein gutes Beispiel ist dagegen das Paar, das von Rose zu einer Auspeitsch-Session mitgenommen wird. Als sie selbst die relativ harmlose Riemenpeitsche aneinander ausprobieren können, gibt sie ihm immer wieder die Rückmeldung „grün“. Sie wendet das unter BDSMler*innen weit verbreitete Ampelprinzip an, Grün für weitermachen, Gelb für Pause, Rot für Stopp.
Die Realityserie stellt damit einen großen Fortschritt dar gegenüber dem letzten filmischen Versuch, BDSM-Kultur in den Mainstream zu bringen: Im Unterschied zu dem Dreiteiler „Fifty Shades of Grey“, dessen Verfilmung 2015 Handschellen, Schmerz und Demütigung so populär machte, dass in Frauenzeitschriften Tipps zu finden waren, wie frau ihr Sexleben durch übergriffiges Verhalten aufmöbeln könne, orientiert sich „How to build a sexroom“ an den tatsächlichen Bedürfnissen der Auftraggebenden. Rose schlägt andere Praktiken und Geräte vor, arrangiert Möglichkeiten, sie auszuprobieren, und freut sich das ein oder andere Mal, Personen an ihre Grenzen zu bringen: Es ist meist mehr ein Tragen als ein Schubsen.
Normalisiert die Show schmutzigen Sex, Fetische und Perversionen so weit, dass es keine Schmuddelecke mehr gibt? Nicht ganz, die Abgrenzung zu „extremeren“ Praktiken wird durchaus aufrechterhalten: Während die gezeigten Schlagtechniken kaum Spuren hinterlassen dürften, zeigen sich einige Paare deutlich abgestoßen und verstört von etwas härteren BDSM-Sessions, zu denen Rose sie mitnimmt. Das mag die BDSM-Community beruhigen, denn wenn alle pervers wären, gäbe es ja keine Distinktion von den Normalos, den Vanillas mehr.
Bedauerlicherweise nimmt die Serie Rücksicht auf patriarchale Sehgewohnheiten: Obwohl die Frauen teilweise die deutlich aktiveren, dominanteren und erfahreneren sind, kippt die Paardynamik auf dem Bildschirm fast immer dahin, dass sie gefesselt und geschlagen werden. Das ist schade.