Pränatale Diagnostik gilt unter behindertenpolitischen und feministischen Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen als ableistisch und diskriminierend. Dieses Argument findet in ethischen und politischen Debatten große Aufmerksamkeit, weil die Schlechterbehandlung von Minderheiten in demokratischen Gesellschaften als illegitim gilt. Der Diskriminierungsvorwurf wird allerdings auch als ungerechtfertigt abgelehnt, vor allem von Soziolog*innen und Ethiker*innen. Obwohl sich das Argument explizit ausschließlich gegen pränatale Diagnostik (PND) richtet, scheint der Schwangerschaftsabbruch nach einer solchen Diagnose häufig der eigentliche Auslöser für die Kritik zu sein. In diesem Text will ich das etwas unübersichtliche Diskursfeld beleuchten und den verschiedenen Argumenten nachgehen. Dazu ist eine Reflexion über einen für die Fragestellung passenden Diskriminierungsbegriff genauso nötig wie eine Präzisierung des verwendeten Modells von Behinderung. Die hier dargestellten Überlegungen eröffnen weiterführende Fragestellungen und sollen eine Grundlage für die Debatte um die diskriminierenden Effekte der PND schaffen.
Schlüsselwörter: Pränataldiagnostik, Behinderung, Diskriminierung, Ableism, soziales Modell
Im Journal für Psychologie, 26(2), 75–94, open access