Moderne Technologien versprechen neue Möglichkeiten – doch verstärken gleichzeitig die Ideologie der Kleinfamilie.
Text im Repro-Dossier des Missy Magazine 04/16 in Kooperation mit dem Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie.
Als ich kürzlich für eine Lesung in Zürich ankam, empfing mich am Bahnhof ein Megaposter. Darauf war eine selbstbewusst auftretende, junge Frau zu sehen mit der Botschaft: „Meine Dinger, mein Ding“ – eine Reklame für Brustoperationen um 9.800 Franken. Ziel der Kampagne sei es, das Thema Schönheitsoperationen zu „enttabuisieren“, wie ich später las. Oder auch, jungen Frauen zu suggerieren, sie könnten sich mit ihrem Körper nur dann wohlfühlen, wenn sie entsprechende Korrekturen vornehmen ließen, möchte man hinzufügen. Die Werbung verspricht weibliche Selbstbestimmung und Kontrolle über den eigenen Körper – damit bedient sie sich an Versatzstücken feministischer Kämpfe und wendet diese marktförmig und herrschaftskonform.
Ähnlich funktioniert die Debatte über das sogenannte Social Freezing: Die selbstbestimmte Entscheidung über die Entnahme und das Einfrieren der eigenen Eizellen zur späteren Verwendung wird unter dem Motto „Mein Körper, meine Zukunft, meine Eier“ behauptet. Hier scheint das Ideal eines Lebens auf, das sich – ganz „selbstbestimmt“ – dem Bedarf des Arbeitsmarktes anpasst. Dass diese Anpassung tief in den Körper eingreift, die hormonelle Stimulation zu schlechter Laune, Schmerzen und Gesundheitsrisiken führen kann, ein operativer Eingriff nötig ist, die Kosten hoch und die Chancen, mit dieser Prozedur zur Erfüllung eines später möglicherweise vorhandenen Kinderwunsches beizutragen, gering sind – geschenkt.
Diese „eigene Entscheidung“ von Frauen über das eigene Leben musste vor gar nicht allzu langer Zeit mühsam erkämpft und verteidigt werden, nicht umsonst waren „Mein Körper, meine Entscheidung“ oder „Mein Bauch gehört mir“ wichtige Slogans der Frauenbewegung. In den 1970er-Jahren wurden diese Slogans allerdings trotz des vermeintlich individuellen Bezugs kollektiv gedacht, als Mittel zur Befreiung aller Frauen von patriarchaler Unterdrückung – und nicht als Forderung nach individueller Wunscherfüllung. Denn Letztere ist nicht zwingend emanzipatorisch: Die Bedürfnisbefriedigung der einen Frau kann die Unterdrückung der anderen sogar befördern oder Geschlechterrollen verfestigen, anstatt sie aufzulösen. Zum Beispiel werden durch Eizellenabgabe und Leihgebären die Körper ärmerer, unterprivilegierter Frauen in einer für diese potenziell gesundheitsschädlichen Weise durch wohlhabende, relativ privilegierte Frauen genutzt. Zugleich soll es nicht zur Pflicht jeder Frau erklärt werden, ausschließlich auf ihren emanzipatorischen Gehalt abgecheckte Entscheidungen zu treffen – Feministinnen sollten jedoch darauf achtgeben, nicht jede Entscheidung, die eine Frau trifft, als selbstbestimmt und ermächtigend abzufeiern. Vielmehr sollten sie gesellschaftliche Faktoren, die Menschen in ihren Entscheidungen beeinflussen, wie etwa internalisierte Erwartungshaltungen an eine „erfolgreiche Frau“, kritisch hinterfragen. Auf solche Dynamiken haben bereits in den 1980ern Schwarze und behinderte Feministinnen hingewiesen. Sie kritisierten, dass das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper nur als Recht auf Verweigerung von Reproduktion verstanden und so die grundlegend andere Ausgangsposition für Schwarze und behinderte Frauen nicht mitgedacht wurde.
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